Studentisches Wohnen

„Uns fehlen die Vorgaben, die Glaskugel und die Mittel für das nachhaltige studentische Wohnen von Morgen“


Micha Nebel – Leiter der Abteilung Studentisches Wohnen
Wohnheim Quartier Vauban in Landau...
Wohnheim Quartier Vauban in Landau...

Micha Nebel leitet das 17-köpfige Team der Abteilung und ist für 971 Mieter:innen in sieben Wohnanlagen in Landau, Germersheim, Ludwigshafen und Worms verantwortlich.

Herr Nebel, was ist denn anders geworden auf dem studentischen Wohnungsmarkt?

Wir waren sehr gespannt darauf, wie sich der studentische Wohnungsmarkt nach der Pandemie entwickeln würde. 2022 hat uns die Frage am meisten bewegt, ob sich der Wohnungsmarkt wieder zum Stand vor der Pandemie zurückentwickeln würde. Und – das können wir gleich zu Anfang sagen – Nein, das hat er nicht.

Zwei Dinge sind uns konkret aufgefallen. Zum einen gab es eine Tendenz der Studierenden ihren Unialltag auf die Präsenztage Dienstag bis Donnerstag zu planen. In vielen Gesprächen stellten wir fest, dass das ganz offensichtlich so gelebt wird. Das wäre an sich nicht problematisch, wenn damit nicht eine zweite, für uns sehr bedeutsame Entscheidung der Studierenden einherginge, nämlich, dass man gar keine Wohnung mehr am Studienort braucht, sondern es billiger ist, von Dienstag bis Donnertag mit dem Auto der Eltern an die jeweilige Hochschule zu pendeln. Sehr verständlich, aber für unser Wohnungsangebot bedenklich. Wo vorher 4-5 Bewerber:innen auf einen Wohnheimplatz kamen, gab es 2022 die ersten Standorte, an denen Wohnheimplätze temporär leer standen. Eine Situation, die wir bisher nicht kannten und bei der wir nicht wissen, was die Zukunft bringt.

Zum anderen ist das Wohnkonzept der Wohngemeinschaft sehr problematisch geworden. Fast alle leerstehenden Zimmer waren WG-Zimmer. Wir hatten das zunächst für einen verständlichen Effekt der Hygienevorschriften während der Pandemie gehalten, mussten aber feststellen, dass sich dieser Trend manifestiert hat. Ich würde gerade niemandem auf dem studentischen Wohnungsmarkt empfehlen, beim Bau eines Studierendenwohnheims auf WG-Plätze zu setzen. Wir werden das für unseren Neubau in der Annweilerstraße 17 mit 199 Plätzen berücksichtigen. 2026 – nach aktuellem Stand der Planung – wird es in die Vermietung gehen. Ich habe hier zwar keine Glaskugel, sehe aber keine Anzeichen, dass sich der Trend zum Ein-Zimmer-Apartment irgendwie abschwächt. Und wir als Vermieter sollten uns natürlich klar am Bedarf orientieren, um Leerstand zu vermeiden.

Was war für Sie die größte Schwierigkeit 2022?
Ein echter Schock war für uns die Absage der Bundesregierung für die Fördermittel aus dem KfW40-Programm, die überraschend im Januar 2022 kam, obwohl wir alle Unterlagen vollständig und fristgerecht eingereicht hatten. Das plötzliche Fehlen von 4,1 Millionen Euro hätte das Projekt in der Landauer Annweilerstraße auf direktem Weg ins Aus katapultiert. Wir waren sehr erleichtert, als die Bundesregierung diese Entscheidung zeitnah zurückgenommen hat. Aber selbst diese kurze Zeit der Unsicherheit hat das Projekt für uns stark verteuert, weil die Banken mit ihren Kreditzinssätzen nicht auf uns gewartet haben.

Was jetzt fehlt ist eine klare Struktur, wie die Fördermittel und Förderbedingungen für nachhaltiges Bauen langfristig aussehen sollen und eine politische Aussage darüber, wie auch wir als Studierendenwerk so von den Förderungen profitieren können, dass wir energetisch sanieren oder neu bauen können und das zu Mietpreisen, die für Studierende bezahlbar sind. Denn bezahlbare, sozialverträgliche Mieten sind unser satzungsmäßiger Auftrag. Diesen können wir ohne politische Unterstützung nicht erfüllen.

Was war positiv?
Ein echter, positiver Quantensprung ist das neue Kreditmodell der Investitionsbank des Landes Rheinland-Pfalz, dass zum ersten Mal auch eine auskömmliche Finanzierung für den Neubau von Wohnheimen ermöglicht. Wir können nur hoffen, dass es über 2024 hinaus fortgeführt und dann immer an die aktuellen Preise und die Zinssätze auf dem Geldmarkt angepasst wird. Dann könnte es das Instrument zur Schaffung von mehr studentischem Wohnraum werden, auf das wir lange gewartet haben.
Ärgerlich, dass wir jetzt kein Bauprojekt in der Pipeline haben. Das letzte Bauprojekt in der Landauer Paul-von-Denis-Straße für ca. 110 Wohnheimplätze musste aufgrund der Planungsunsicherheit während der Pandemie abgeblasen werden.

Bauprojekte lassen sich aber eh nicht vom Zaun brechen, sondern sind immer Ergebnis oft jahrelanger Vorarbeiten. Und gegenwärtig haben wir kein Ad-hoc-Bauprojekt in der Pipeline und über unser ALDI-Projekt gibt es bereits einen gültigen Vertrag. Pech für uns, aber dennoch ist das Kreditmodell das richtige Signal für die Zukunft. Wenn die guten Konditionen eine Zukunft bekommen…

Endergebnis unserer Energie-Spar-Challenge
Was war denn für Sie ein Highlight?
Ein bisschen stolz sind wir schon darauf, dass wir relativ schnell eine sehr gute Antwort auf die steigenden Energiepreise gefunden haben. Wir konnten die Mehrkosten für Energie noch bis zum Jahresende des Geschäftsjahres 2022 für unsere Mieter:innen abfedern. Wir mussten aber zum 01.01.2023 die Nebenkosten für alle Mieter:innen dann um mindestens 30 Euro erhöhen. Uns war klar, dass es eventuell nicht bei dieser einmaligen Erhöhung bleiben würde und hatten dann die rettende, wenn auch nicht ganz neue Idee: Energiesparen.

So weit so gut. Aber wie eine so unattraktive Maßnahme im Wohnheim populär machen? Unsere Abteilung Kommunikation hatte die zündende Idee dazu: Eine Energie-Spar-Challenge unter allen Wohnheimen und allen 971 Mietern. Unsere sieben Wohnanlagen sind gegeneinander angetreten und haben um die Wette gespart ab Oktober 2022. Jeden Monat gab es einen Preis für die beste Energie-Spar-Idee und das Wohnheim mit der größten Energie-Einsparung konnte eine Party für das ganze Wohnheim gewinnen. Wir haben erfreut festgestellt, dass das sehr gut funktionierte. Ein wirklich sehr schöner Nebeneffekt davon war, dass das gemeinsame, solidarische Energiesparen die Wohnheimgemeinschaften enger zusammengebracht hat. Im Frühjahr 2023 wird dann der Preis verliehen. Wir denken natürlich darüber nach, das Ganze im nächsten Herbst nochmal zu wiederholen, ganz besonders wenn die Energiepreise weiter auf diesem Niveau bleiben oder zur kalten Jahreszeit hin wieder steigen.

Welche anderen Projekte wurden umgesetzt?
Für mich war die Überarbeitung unserer Willkommenskultur ein wichtiges Projekt 2022. Nach dem Motto: „Man hat niemals eine zweite Chance für einen ersten Eindruck“, haben wir uns ganz konkret angeschaut, in welchen Bereichen wir für unsere Mieter:innen besser werden wollen. Das war zum einen der komplette Bereich der Mieterinformationen, um schneller, direkter und genauer mit unseren Mieter:innen sprechen zu können.
Zum anderen haben wir unser Konzept der Hausleitungen überarbeitet und den Hausleitungen mehr Entscheidungsgewalt und den Kolleg:innen in den Wohnanlagen vor Ort mehr Handlungsspielraum überlassen, aber auch noch mehr Mieternähe verordnet. Der persönliche Kontakt ist durch nichts zu ersetzen und eine präsente und kompetente Hausleitung kann 90 Prozent aller Anfragen lösen, bevor sie zu einem Problem werden.

Ansonsten gibt es in der Abteilung natürlich immer auch kleinere oder größere Bauprojekte.
Im Einzelnen haben wir folgende Projekte umgesetzt:
  • Worms, Wohnheim Bebelstraße: Eröffnung der großen Liegewiese mit bestuhlter Terrasse, Sonnenschirmen und einem Grillplatz; im Wohnheim gibt es jetzt 3 sehr gern genutzte Raucherbereiche – je Etage einen.
  • Germersheim, Wohnheim an der Hochschule: Erstellung eines Grillplatzes mit Sitzgruppe
  • Landau, Wohnheim Godramsteinerstraße und Wohnheim Charles-de-Gaulle-Straße / Lina-Kößler-Straße: Erstellung eines Grillplatzes mit Sitzgruppen.
  • Worms, Wohnheim Erenburgerstraße: Sicherung eines Mauersturzes auf dem Wohnheimgelände
  • Ludwigshafen, Wohnheim Heinigstraße: Sanierung des Hofes in einen Wohlfühlbereich mit Sitzgruppen und Grillbereich und zusätzlich Ausstattung mit einer komplett neuen Pflasterung nach aktuellsten Vorgaben.

Ein Jahr für Grill-Fetischisten?
Könnte so wirken! Hatte aber einen anderen Hintergrund. 2022 war uns der Aspekt des guten Miteinander in unseren Wohnheimen ein wichtiges Thema. Nach den Jahren der Isolation während der Pandemie war es uns ein Anliegen, mehr Räume und Plätze für die Begegnung und die soziale Interaktion zwischen unseren Mietern zu schaffen. Wir fanden, dass es höchste Zeit war, wieder mehr Leben in die Wohnheime zu bringen. Den Studierenden war deutlich anzumerken, dass die vergangenen drei Jahre negative Spuren hinterlassen hatten. Und soziales Miteinander geht am besten mit gemeinsam genutzten Flächen und dem entsprechenden Ausbau dieser Orte. 2022 haben wir uns die Außenbereiche unserer Wohnheime vorgenommen, 2023 werden dann die Gemeinschaftsräume folgen.

Wie sieht ihre Prognose für 2023 und längerfristig aus?
Wie sehen eine leichte Entspannung auf dem studentischen Wohnungsmarkt und hatten sogar erste, kurzzeitige Leerstände in den Wohnheimen. Hier müssen wir die Situation an den Hochschulen im Auge behalten. Besonders das sehr häufig uns gegenüber kommunizierte Dienstag-bis-Donnerstags-Studium macht es für viele Studierende attraktiver und günstiger, vom Wohnort der Eltern zur Hochschule zu pendeln, als Miete zu bezahlen. Ich hoffe natürlich – auch für die soziale Qualität eines Studiums für unsere Studierenden – nicht darauf, dass sich das manifestiert. Aber wir werden künftig eventuell mit der Möglichkeit umgehen müssen, dass weniger Studierende eine Wohnung suchen werden. Wir werden die Situation nach den Einzügen im Wintersemester 2023 neu bewerten und dann – falls notwendig – weitere Schritte einleiten. Denn es bleibt noch abzuwarten, ob wir einen temporären Effekt im Nachgang der Pandemie erleben oder ob dieser Trend des „Pendler-Studiums“ sich manifestiert. Wir sind auch gespannt, wie die Hochschulen mit diesem Trend umgehen werden.

Ein weiterer Trend ist die Möglichkeit der online-Studien. Inzwischen teilten uns viele Studierende mit, dass sie nach dem Bachelor in manchen Bereichen das Masterstudium auch komplett online absolvieren können. Hier empfiehlt sich Timesharing als neues Wohnmodell. Dies sieht vor, in der Vorlesungszeit wohnt ein/e andere/r Mieter/in wie in den vorlesungsfreien Zeiten in dem Apartment. Beide Teilbewohner zahlen damit nur die halbe Miete. Natürlich wird es eine Aufgabe für uns sein, zu prüfen, in wieweit das auch Vermietungsmodelle für uns werden können. Das wird die weitere Entwicklung des studentischen Wohnungsmarkts zeigen, die es noch abzuwarten gilt. Wir sind auf jeden Fall für zeitgemäße, moderne Wohnformen offen, wenn es der Markt hergibt und unsere Vergaberichtlinien erlauben.

Meiner Ansicht nach ist der Aufbau eines eigenen, unabhängigen Lebens so ziemlich das wichtigste Seminar, das man an deiner Hochschule belegen kann. Und wir würden gerne weiterhin ein wichtiger Partner bei diesem Schritt bleiben.

Ihr Ansprechpartner für den Bereich
Micha Nebel
Leiter Wohnheimabteilung
Xylanderstraße 17
76829 Landau
Tel.: +49 6341 9179 150
wohnen@stw-vp.de
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